Eine in weiten Teilen zu Unrecht erlassene Einstweilige Verfügung zugunsten einer Beamtin im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Der darauf gerichtete Widerspruch wurde am 02. November 2021 für wenige, im einstelligen Minutenbereich angesiedelte, Momente “verhandelt”. Die Einzelrichterin Wolff-Reske schlug vor, dass die Verfügung vollständig anerkannt werden könne, im Gegenzug wäre von der Antragstellerin darüber nachzudenken, ihren zwischenzeitlich gestellten Ordnungsmittelantrag zurückzunehmen. Der Vorschlag wurde dankend abgelehnt, die Richterin verhängte 2.000,00 € Ordnungsgeld. Noch bevor ein Ablehnungsgesuch angebracht oder ausgesprochen werden konnte, schloss Monika Wolff-Reske die Verhandlung. Die sofortige, aus dem Anwaltsbüro dem Gericht zugestellte, Richterablehnung sowie den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung überging die Richterin. Am Ende ihres Sitzungstages fällte Monika Wolff-Reske ihr Urteil, was sie begründet den Parteien am 26.11.2021 zustellen ließ.

Auf das Ablehnungsgesuch wurde zeitversetzt reagiert: Den Ablauf der mündlichen Verhandlung stellte sie in ihrer dienstlichen Stellungnahme falsch, verzerrt und zu ihren Gunsten dar. Die Urteilsbegründung enthielt Sachverhaltsverfälschungen, Weglassungen und Unrichtigkeiten, deren Korrektur beantragt werden musste.

Die Entscheidung über diese Anträge fiel erst Ende August 2022. Monika Wolff-Reske sah von allen Beantragungen nur einen einzigen fehlenden Buchstaben als korrekturwürdig an. Die Weglassungen, Dunkelheiten und Verfälschungen wies das Landgericht mit einer knappen Begründung zurück. Dagegen richtet sich eine weitere Beschwerde.

Am 17.12.2021 wurde gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Berufungsbegründung, Berufungserwiderung und weitere Schriftsätze wurden ausgetauscht.

Die Richterablehnung wies der 10. Zivilsenat als unbegründet zurück.

Im Laufe des Prozesses verhängte die Richterin 1. Instanz, nachdem sie wieder am Verfahren mitarbeiten durfte, ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 4.000,00 €. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

Am 15. September 2022 wurde die Einstweilige Verfügung weitestgehend aufgehoben und ihr Antrag auf Erlass insoweit zurückgewiesen, mit ihm auch die erste Ordnungsgeldstrafe in Höhe von 2.000,00 €.

Der Verfahrens- bzw. Streitwert war mit 25.000,00 € deutlich überhöht, das Berufungsgericht minderte den Streitwert auf 12.000,00 € und erlegte der Antragstellerin 7/12 aller Kosten aus 1. und 2. Instanz auf.

Trotz dieser überwiegend positiven Wende blieb nicht verborgen, dass sich die Einzelrichterin 2. Instanz, Susanne Tucholski, mit den Belangen der Antragstellerin solidarisierte. Ein gerechteres Urteil wäre möglich und geboten gewesen. In der Urteilsbegründung des Kammergerichts sind “Überzeugungen” erwähnt, die sich mangels persönlicher Überzeugung der Richterin am Ort des Geschehens nicht verwirklicht haben können. Mobbingszenarien lassen sich nicht aus weiter Ferne im Büro des Richters beurteilen. Ein aus Selbstschutz- und Abwehrgründen betriebenes strategisches Gegenmobbing wird im Urteil als “negative Stimmungsmache” ausgelegt, diese in den Kontext der verbalen Angriffe auf Renate Künast gesetzt, was fernliegend ist. Es handelt sich um absurde richterliche Zirkelschlüsse.

Susanne Tucholski hat sich bei ihrer Beurteilung der realen Lebensumstände nicht die Mühe gemacht, beide Seiten fair und angemessen zu beleuchten. Diese Form der Solidarisierung mit der durch das Gericht zum Opfer stilisierten Beamtin als Prozesspartei erfolgte einseitig und leider auch undemokratisch.


Beteiligte Richter
Dr. Monika Wolff-Reske (Richterin am Landgericht Berlin, 6. Zivilkammer, als Einzelrichterin), Susanne Tucholski (Richterin am Kammergericht Berlin, als Berufungseinzelrichterin; die Sache wurde dennoch vollständig im Senat beraten, die Urteilsverkündung folgte nicht sofort im mündlichen Termin am 12. September, sondern am Donnerstag, 15. September)


Prozessverlauf und Dokumente


Die Vorgänge und Dokumente sind entsprechend ihrer Aktualität sortiert, beginnend mit den aktuellsten

Das Landgericht Berlin, vertreten durch die Einzelrichterin Monika Wolff-Reske, verhängt 4.000,00 € OG

“in der Anlage erhalten sie den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Berlin auf den zweiten Ordnungsmittelantrag von Frau Dr. M. hin. Das Landgericht will weitere 4.000 EUR von Ihnen haben. Wegen der Details der recht kurzen Begründung verweise ich auf die Anlage.

“Schließlich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin zu berücksichtigen (vergleiche Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 890 Rn. 18). Der Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung geschah wiederholt und absichtlich. Da die Antragsgegnerin sich als Geschäftsführerin einer Firma ausgibt, war ein überdurchschnittliches Einkommen zugrunde zu legen. Der Betrag in Höhe von 4000 € erscheint vor diesem Hintergrund erforderlich, um die Antragsgegnerin auch aus wirtschaftlichen Gründen von weiteren Zuwiderhandlungen abzuhalten, da ein Betrag in Höhe von 2000 € insoweit nicht ausreichend war.”

Die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden nie geprüft, das Ordnungsgeld im Blindflug verhängt. Die darauf gerichtete anwaltlich verfasste Beschwerdebegründung stellt klar:

“begründen wir unsere Beschwerde gegen die zweite Festsetzung einer Ordnungsstrafe durch das Landgericht Berlin wie folgt:

1.
Das Kammergericht hat die vom Landgericht Berlin zu b) erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und die zu a) erlassene einstweilige Verfügung inhaltlich modifiziert. Bei der Frage, ob die Schuldnerin wegen der Urteilsveröffentlichung gegen die einstweilige Verfügung verstoßen hat, ist deshalb von der modifizierten Fassung auszugehen, welche die einstweilige Verfügung durch das Kammergericht erhalten hat.

2.
Die Festsetzung einer Ordnungsstrafe von 4.000 EUR kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil im Strafmaß berücksichtigt wurde, dass die Schuldnerin schon einmal gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin verstoßen hat. Nachdem der erste Ordnungsgeldbeschluss vom Kammergericht aufgehoben wurde, fällt diese Argumentation natürlich in sich zusammen.

3.
Für die Frage, ob die Schuldnerin mit der Veröffentlichung des Urteils des Landgerichts Berlin gegen die einstweilige Verfügung in der Fassung, die sie durch das Urteil des Kammergerichts erhalten hat, verstoßen hat, muss die einstweilige Verfügung ausgelegt werden. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe heranzuziehen (BVerfG, NJW 2022, 2324; BGH, GRUR 2017, 208). Nach der einstweiligen Verfügung in der Kammergerichtsfassung wurde es der Schuldnerin verboten, in Bezug auf die Antragstellerin bestimmte Aussagen zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie mit Schreiben vom 25.06.2021 gerichtet an Frau Ministerin Karliczek und/oder Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Meister und/oder Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Rachel und/oder Herrn Staatssekretär Luft und/oder Herrn Staatssekretär Lukas. Ausweislich der Begründung des Urteils des Kammergerichts vom 12.09.2022 handelt es sich bei den angegriffenen Aussagen durchweg um Meinungsäußerungen. Aus einer Abwägung der wechselseitigen Interessen ergebe sich aber, dass die Schuldnerin diese Meinungsäußerungen gegenüber den Dienstvorgesetzen im Ministerium zu unterlassen habe, weil die Gläubigerin in ihrer dienstlichen Sphäre betroffen werde und ihre Führungsqualitäten ihren Vorgesetzten gegenüber in ein schlechtes Licht gerückt würden (S. 8 des KG-Urteils). Der Schuldnerin ständen keine schutzwürdigen Interessen für ihre Einbindung des Dienstherrn in Bezug auf das außergerichtliche Verhalten der Gläubigerin zur Seite (S. 10 des KG-Urteils).

Daraus und auch aus den übrigen Ausführungen im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien durch das Kammergericht ergibt sich, dass sich der „wenn dies geschieht wie“-Zusatz in der einstweiligen Verfügung nicht nur auf den Inhalt, sondern insbesondere auch auf die Adressaten des Schreibens bezieht. Dieselben Meinungsäußerungen der Schuldnerin gegenüber anderen Personen als dem Dienstherrn, waren nicht Gegenstand der Prüfung durch das Kammergericht. Das Kammergericht gibt in seiner Urteilsbegründung sogar ausdrücklich an, dass die Meinungsäußerungen in einem anderen Kontext als zulässig beurteilt werden können (Urteil S. 11, Abs. 3):

„[…] wird klargestellt, dass der Unterlassungsausspruch jede, andererseits aber auch nur solche Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen verbietet, die den zu unterlassenden kerngleich sind, und zwar unabhängig davon, auf welchem Weg, mit welchem Medium und wem gegenüber die Äußerung erfolgt. Das Wort „insbesondere“ war ausgehend hiervon zu streichen, weil die benannte Verletzungshandlung nicht als Beispiel fungiert, sondern die Reichweite des Unterlassungsgebots festlegt. Dies markiert aber zugleich die Grenze der zu untersagenden Verhaltensweisen. Zum einen können die Äußerungen in anderen Kontexten als den geschehenen als zulässig zu beurteilen sein.”

Deshalb werden entsprechende Aussagen der Schuldnerin, die nicht an den Dienstherrn der Gläubigerin gerichtet sind, von der einstweiligen Verfügung nicht erfasst. Deshalb ist es eigentlich unerheblich, soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Veröffentlichung des Urteils in einem völlig anderen Kontext erfolgte, nämlich auf dem Onlinemedium www.[...].org. Der entsprechende Artikel setzt sich mit den Abläufen in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2021 auseinander. In diesem Zusammenhang wird das Urteil teilweise ausgewertet und zu Belegzwecken veröffentlicht. Der sich an die Entscheidung des LG Berlin anschließende Tatbestandsberichtigungsantrag wird in dem betreffenden Artikel vollständig zitiert, woraus sich ebenfalls kein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung des LG Berlin ergeben kann. Ein „Herauspicken“ einzelner Teile ist schließlich unzulässig, da stets die ganze Veröffentlichungsumgebung gesehen und bewertet werden muss. Vor diesem Hintergrund ist sowohl die vollständige Veröffentlichung des Urteils als auch der zitierte Tatbestandsberichtigungsantrag innerhalb des Prozessgeschehens gem. § 5 GG zulässig. Es kann schließlich auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Modifikation der einstweiligen Verfügung durch das Urteil des Kammergerichts nicht um eine Neufassung der eV mit geändertem Wortlaut gehandelt hat, sodass die Schuldnerin durch ein früheres Verhalten nicht gegen die später erlassene einstweilige Verfügung verstoßen konnte. Dafür spricht, dass die einstweilige Verfügung in der ursprünglichen Form sich auf das Schreiben der Schuldnerin vom 25.06.2021 allgemein bezieht und die die daraus zitierten Passagen nicht in einem und/oder-Verhältnis zueinander stehen. Die Gläubigerin hat die einstweilige Verfügung deshalb auch neu zugestellt.”

︎ Aufhebung der 1. Verhängung von Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,00 €

“Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 05.11.2021 wird die Ordnungsgeldfestsetzung des Landgerichts Berlin vom 02.11.2021 aufgehoben und der Antrag der Gläubigerin vom 08.09.2021 zurückgewiesen.

Im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung über den gegen die einstweilige Verfügung vom 22.07.2021 gerichteten Widerspruch vom 02.11.2021 hat das Landgericht gestützt auf § 890 ZPO auch über die Verhängung eines Ordnungsgeldes befunden und gegen die Schuldnerin „ein Ordnungsgeld in Höhe von 2000 €, ersatzweise Ordnungshaft“ festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 05.11.2021 ging am selben Tage beim Kammergericht ein und lag dem Landgericht am 10.11.2021 vor. Zu diesem Zeitpunkt schwebte dort bereits das Ablehnungsverfahren betreffend die Frage der Befangenheit der Einzelrichterin. Dieses ist durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 15.06.2022 - 10 W 172/21 - abgeschlossen worden; die von der Schuldnerin nachgereichte Beschwerdebegründung datiert vom 16.08.2022. Jenseits der formalen Auswirkung der teilweisen Aufhebung des Vollstreckungstitels war die sofortige Beschwerde auch deshalb von Anfang an begründet, weil der zugrunde liegende Ausspruch zu Nr. 2 der Beschlussverfügung mit dem durch „bzw.“ eingeleiteten Halbsatz ein Kontaktaufnahmeverbot zu sonstigen, also sämtlichen, Mitarbeitern des Dienstherrn anordnet, sofern es um die ehrenamtliche Tätigkeit der Gläubigerin in der Kirchengemeinde geht. Aus den im Urteil der Einzelrichterin vom heutigen Tage ausgeführten Gründen hätte eine solche Anordnung mangels ausreichender Konkretisierung der Verletzungshandlung nicht ergehen dürfen. Schließlich ist auch nicht glaubhaft gemacht oder ersichtlich, dass der Anruf bei einer Mitarbeiterin des Bildungsministeriums die ehrenamtliche Tätigkeit der Gläubigerin betraf, ging es doch um den Umgang mit Mobbing-Opfern in der kontaktierten obersten Behörde.

Der von der Schuldnerin übersandte Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Berlin vom 25.08.2022, mit dem ein weiteres Ordnungsgeld von 4.000,00 € verhängt worden ist, ist dem Senat bisher nicht angefallen. Das Landgericht wird wegen der teilweisen Aufhebung des Vollstreckungstitels zunächst zu prüfen haben, ob nach § 776 Satz 1 ZPO zu verfahren ist.”

Ergebnis der Beschwerdebegründung


Gerichtlicher Beschluss vom 04.10.2022

“hat das Landgericht Berlin - Zivilkammer 6 - durch die Richterin am Landgericht Dr. Wolff-Reske als Einzelrichterin am 04.10.2022 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 06.09.22 wird die Ordnungsgeldfestsetzung des Landgerichts Berlin vom 25.08.2022 nach Anhörung der Gläubigerin aufgehoben.

2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 4000 € zu tragen.

Die gemäß den §§ 793, 567 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist begründet. Der Ordnungsmittelbeschluss war gemäß § 776 Satz 1 ZPO aufzuheben, nachdem der Unterlassungstitel durch Urteil des Kammergerichts vom 15.9.2022 teilweise aufgehoben worden ist. Denn der aufgehobene Teil des Unterlassungstitels betrifft gerade denjenigen Punkt, der die Festsetzung des Ordnungsgeldes getragen hat.“

Dr. Wolff-Reske, Richterin am Landgericht
Tel.: 0302888360
Mail: Office@Buckminster.de

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