„Aus meiner Heimat Schweden auf der Durchreise durch Frankfurt und auf dem Weg zurück nach Hause in November habe ich in der Pension Aller, Gutleutstraße 94, wie üblich gewohnt. Ich mag diese tolle, saubere und sehr individuelle Unterkunft, die nach Carl Aller, einem expressionistischen Maler benannt ist, der viele Male in diesem Haus übernachtet hatte. Selten finden Sie dieser Tage ein Äquivalent zu diesem Juwel in großen kommerziellen europäischen Städten. Ich werde immer dieses Haus Menschen mit geistiger Aufmerksamkeit empfehlen.”




Nachruf an eine Frau, die das Kleinod liebte


Hannelore Kraus war Soziologin, Weltreisende, Hotelierin. Eine Frau mit Haltung.
Jemand, der sich der Übermacht von nebenan entgegenstemmte und ohne Selbstverrat gewann. Nicht für sich allein, sondern für ein ganzes Viertel in Frankfurt am Main — meiner, wenn ich ehrlich bin, liebsten deutschen Stadt, noch vor Berlin.


Frau Kraus ging fast immer persönlich ans Telefon. Präsenz war das Markenzeichen ihres Hauses. Wenn mein damaliger Mitarbeiter oder ich für die nächste Reise nach Frankfurt ein Zimmer buchen wollten, amüsierten wir uns über die leichte Direktive in ihrem Ton, die Teil ihrer Art war. 1983, zufällig mein Geburtsjahr, gründete Hannelore Kraus die Pension Aller in der Gutleutstraße in Frankfurt am Main. Von außen ein Geheimtipp, fast unscheinbar. Innen knarzten die Böden, wir bekamen Anweisungen, welche Türen geschlossen zu halten waren, wo das Licht anging, wann Ruhe sein sollte. Frau Kraus war schwerhörig, man musste lauter sprechen oder eine E-Mail schreiben, auf die sie freundlich antwortete.



„In den späten 90er Jahren war Frankfurt am Main kurz davor, das höchste Gebäude Europas zu bekommen. Campanile sollte der knapp 300 Meter hohe Wolkenkratzer heißen und auf der Südseite des Hauptbahnhofs empor ragen. Kurz vor den Kommunalwahlen 1989 erteilte ein CDU-Baudezernent fix einige Teilgenehmigungen, Frau Kraus war aber dagegen. Sie weigerte sich, dem Bau zuzustimmen. Laut Baurecht war sie eine “betroffene Nachbarin” (u.a. wegen des drohenden Schattenwurfs auf ihr Haus). Auch positive Baurechtsgutachten halfen nicht, sie umzustimmen, genauso wenig wie Millionenbeträge. „Zum Schluss haben sie mir acht Millionen Mark geboten, hier in meiner Küche,“ verriet Kraus in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau im Jahr 2019.”


Hannelore Kraus sagte Nein zum Kapitalismus — und Ja zur Individualität.

Ihr erschwingliches, mit persönlicher Note betriebenes Kleinod im Gutleutviertel stand allen offen: Intellektuellen, Beamtinnen, Politik- und Wirtschaftsvertretern, Künstlerseelen, Unternehmern. Alle wurden gleich, aber niemand gleicher behandelt. Früh am Morgen bekam jeder Gast das gleiche minimalistische Frühstück serviert, das eher an Astronautennahrung erinnerte, so sachlich und einzeln verpackt war es. Butter, Konfitüre, Schokolade. Und mittendrin saß immer Frau Kraus, die sich gerne mit allen Gästen unterhielt. Genau wie die Gäste mit ihr. 





Ich erinnere mich, dass ich auch deshalb so gerne gekommen bin, weil die Zimmer anders waren. Offen, fast loftartig. Das Haus selbst war eigentlich ein Wohnhaus, das zur Pension umfunktioniert wurde. Der Flur wirkte durch die Fliesen etwas kühl, aber in den Wohnungen lag eine zurückhaltende, angenehme Wärme. Vielleicht wegen der Holzbalken. 







Für Fahrzeuge gab es nur zwei oder drei Stellplätze direkt vorne am Tor. Als wir damals beruflich zum ersten Mal bei Frau Kraus ankamen, erinnere ich mich noch genau an den Moment, in dem es uns wie Schuppen von den Augen fiel: Unser Produktionsfahrzeug war noch nicht gewaschen. Wir betreuten ca. siebzig Personen, die zum Dinnerevent mit anschließender Tagung nach Frankfurt kamen und am Walther-von-Cronberg-Platz untergebracht waren. Dass wir mit einem verstaubten Fahrzeug vorfuhren, kam noch nie vor.

„Gas geben jetzt“

„Ja wohin?“

Auf der kurzen Anfahrt zum Hotel war keine Waschanlage in Sicht.

Da ich in manchen Dingen abergläubisch bin, hielt ich unser ungewaschenes Fahrzeug für ein schlechtes Omen.

Beim Einbiegen auf den Vorplatz vom Hotel geriet allerdings etwas in mein Sichtfeld, das ich als göttliche Antwort auf mein Unbehagen verstand: Der Springbrunnen auf dem Walther-von-Cronberg-Platz.

„Wir fahren da jetzt durch“

„Geilo!“

Unsere Freiluftwaschanlage blieb auch dem Auftraggeber nicht verborgen, denn der stellte fest, dass die Waschanlage, in der wir kurzfristig noch gewesen sein wollten, offenbar gar keinen Fön hatte :-) No comment.





Nur einer der Gründe, warum uns der Kunde sieben weitere Jahre beauftragt hat — einmal durch die ganze Republik. Alles nahmen wir ernst, nur uns selbst nie so wichtig. In München sprach er uns nach der Produktion einmal offen darauf an, dass er sich Sorgen um mich mache, weil mein Pensum so hoch sei. Nicht wegen der Art und Wertigkeit von Events, die wir organisierten, sondern gemeint war die Energie, die ich reingab. „Ihre Seele wird irgendwann nicht mehr wollen, dann haben wir Sie nicht mehr.” Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag. In dem Gespräch wollte ich das nicht hören, weil es gar nicht meine Realität war. Fast war ich ihm böse deswegen. Als dann meine Liebe zu Events kippte, war es dieses Gespräch auf dem Campus in München, an das ich mich erinnerte. Wir diskutierten sogar noch darüber, welches Wort das schönere Gefühl bringt, glücklich oder zufrieden. Unser Kunde war zufrieden und ich wollte glücklich sein. Wie ich finde hatten wir beide Recht. Obwohl ich damals nichts mit zufrieden anfangen konnte (aus meiner Sicht zu lahm), weiß ich heute ganz genau, was zufrieden sein bedeutet.


Produktionsstätten waren u.a.: Heinrich Böll Stiftung, Rodeo Club Restaurant, Haus am Dom, Kameha Suite, Campus Neue Balan, Heart Restaurant München, Bucerius Law School, asisi Panometer und Frauenkirche Dresden, Neue Flora Köln, Kameha Grand Bonn, Hirschburg Vodafone Campus, Deutsche Welle, Telekom Headquarters, Bosch Haus Heidehof, Plenum Restaurant im Landtag Baden-Württemberg, Museum zu Württemberg, Schloss Bensberg.













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