Der Direktor des Bundesverfassungsgerichts gibt nach einer viermonatigen Untersuchung des vermeintlichen Urteilsleaks vom 29.07.2024 folgende Erklärung ab:
„Am 30. Juli 2024 verkündete der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts sein Urteil in Sachen „Bundeswahlgesetz 2023“ (Aktenzeichen 2 BvF 1/23 u.a.). Bereits am Vortag war eine Version der schriftlichen Urteilsgründe vorübergehend über das Internet öffentlich zugänglich (vgl. Pressemitteilung Nr. 65/2024 vom 30. Juli 2024).
Die Untersuchung des Vorfalls durch den Direktor beim Bundesverfassungsgericht ist abgeschlossen. Es wurde festgestellt, dass eine PDF-Datei mit einer Version der schriftlichen Urteilsgründe vorübergehend über eine URL abgerufen werden konnte. Die Untersuchung hat bestätigt, dass hierfür eine technische Funktion ursächlich war. Die PDF-Datei wurde unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls noch am Abend des 29. Juli 2024 gelöscht. Die ursächliche technische Funktion wurde am 30. Juli 2024 dauerhaft deaktiviert.“
Einmal mehr genügt die Justiz nur sich selbst.
Ein tieferer Einblick in die Fehlerstruktur beim Bundesverfassungsgericht wäre wünschenswert gewesen. Der Berichterstatter hatte am 30. Juli 2024 selbst ein (Service-)Posting veröffentlicht und damit eine Einführung in die Materie gegeben. Ergänzend dazu sei angemerkt, dass der Begriff „SharedDocs“, der in der URL-Konfiguration des Bundesverfassungsgerichts auftaucht, auf die Arbeit mit Microsoft SharePoint hinweist. Diese Plattform ermöglicht es, Dokumente wie Urteile oder Beschlüsse in einer gemeinsamen Softwareumgebung zu bearbeiten, zu kommentieren und zu veröffentlichen.
Bei der Veröffentlichung von Dokumenten sind zwei Aspekte besonders zu beachten. Zum einen existiert die URL technisch ab dem Moment, in dem ein Dokument (Ressource) in die SharePoint-Bibliothek hochgeladen wird. Das bedeutet, dass die Zugriffsrechte präzise geregelt werden müssen, um unbefugte oder vorzeitige Zugriffe zu verhindern. Es könnte durchaus sein, dass die Standardberechtigung der Bibliothek des Bundesverfassungsgerichts auf „Jeder mit dem Link“ (ansehen) eingestellt war. In diesem Fall sind alle hochgeladenen Dokumente automatisch für jeden zugänglich, der die URL kennt (erraten/ablesen kann), sofern keine expliziten Einschränkungen an der Zugriffsberechtigung vorgenommen wurden. Zum anderen spielt die Serverzeit bei automatisierten Veröffentlichungen eine wichtige Rolle. Ist die Serverzeit falsch eingestellt, können frühere Veröffentlichungen die Folge sein, da Microsoft SharePoint (automatisierte) zeitbezogene Aktionen wie Veröffentlichungen anhand der Serverzeit steuert. Es ist ebenso denkbar, dass die Uhrzeit für die Veröffentlichung einfach fehlerhaft eingegeben wurde.
Wird der Versuch unternommen, die URL direkt anzusteuern, ergibt sich folgendes Szenario:
Die URL wird einfach manuell unter Berücksichtigung des Verkündungstermins und des vorherrschenden Aktenzeichens eingegeben. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Normenkontrolle, für die das Kürzel „fs“ verwendet wird. Andere Kürzel, die sich anhand früherer Veröffentlichungen (z.B. Beschlüsse) in der URL ablesen lassen, sind z.B. „rk“, was für Richterkammer stehen könnte. Das Bundesverfassungsgericht folgt also einem Bearbeitungs- und Zuordnungsmuster, das sich später in der URL widerspiegelt, zusammen mit dem Datum für die Verkündung:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2024/07/fs20240730_2bvf000123.pdf
Die URL ist ein offenes Buch, da ein wesentlicher Teil in ihr gleichbleibend ist. Erst mit dem nächsten Jahreswechsel ändert sich dieser, dann würde hinter /DE/ eine 2025 und nicht mehr 2024 stehen. Der Abschnitt /DE/2024/ zeigt somit an, dass die Veröffentlichung auf Deutsch und im laufenden Jahr 2024 erfolgt.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2024
Danach kommt der Monat /07/ also Juli.
Anhand der Pressemitteilung, die den Verkündigungstermin des Urteils bekanntgibt, lässt sich der weitere Modus im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen ablesen und individualisieren. Der Abschnitt fs20240730 in der URL steht somit für die Einordnung als Normenkontrollsache (fs), die (rückwärts gelesen) am 20240730 (Datum) verkündet wird. Also im Jahr 2024, im Monat Juli (07) und am Tag 30.
Es folgt ein Unterstrich (wie üblich bei früheren Veröffenlichungen).
Danach folgt das genaue Aktenzeichen, das sich nach dem vorherrschenden Aktenzeichen für die Normenkontrolle richtet: 2 BvF 1/23 wird dargestellt als 2bvf000123. Der Teil „0001“ hat vier Stellen, um die Anzahl möglicher Eingänge und daraus resultierender Veröffentlichungen groß und offen zu halten. Die darauffolgende „23“ stammt aus dem Jahr, in dem das Aktenzeichen vergeben wurde. Somit speist sich „2bvf000123“ aus „2 BvF 1/23“.
Logischerweise muss die Datei eine Dateiendung haben, die, wenn eine feste Datei gewünscht ist, nur „.pdf“ lauten kann, da alle Urteile und Beschlüsse auch als PDF veröffentlicht werden.
Für die html-Version müsste die URL auf .html enden, wie es hier ersichtlich ist:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2024/07/fs20240730_2bvf000123.html
Zudem wird für die html-Variante „Entscheidungen“ statt „Downloads“ verwendet.
Es ist reines Ablesen und Kombinieren, basierend auf Trial and Error.
Ob das Bundesverfassungsgericht die genaue URL bereits bekannt gegeben hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Durch Beobachtung und händische Eingabe ist sie (nahezu) jederzeit im Voraus aufrufbar, jedenfalls ab der Bekanntgabe des Verkündigungstermins. Diese Datumsinformation stellt ein tragendes Element innerhalb der Zieldestination (URL) dar.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2024/07/fs20240730_2bvf000123.pdf
Berlin, am 27.11.2024 © Buckminster NEUE ZEIT